Wölfe mitten im Mai – Franz Josef Degenhardt 1966
August der Schäfer hat Wölfe gehört Wölfe mitten im Mai, zwar nur zwei Doch der Schäfer der schwört Die hätten zusammen das Fraßlied geheult Das aus früherer Zeit, und er schreit Und sein Hut ist verbeult Schreit: „Rasch, holt die Sensen sonst ist es zu spät Schlagt sie tot, noch eher der Hahn dreimal kräht“ Doch wer hört schon auf einen alten Hut Und ist auf der Hut? Und ist auf der Hut? August der Schäfer ward nie mehr gesehen Nur sein alter Hut, voller Blut Schwamm im Bach circa zehn Hat dann später das Dorfhexenkind Nachts im Steinbruch entdeckt, blutbefleckt Und die Schnauze im Wind Dem Kind hat die Mutter den Mund zugehext Hat geflüstert: „Bist still oder du verreckst! Wer den bösen Wolf nicht vergisst, mein Kind Bleibt immer ein Kind bleibt immer ein Kind“ Schon schnappten die Hunde den Wind, und im Hag Rochen Rosen nach Aas kein Schwein fraß Eulen jagten am Tag Hühner verscharrten die Eier im Sand Speck im Fang wurde weich aus dem Teich Krochen Karpfen an Land Da haben die Greise zahnlos gelacht Und gezischelt: „Wir haben’s gleich gesagt Düngt die Felder wieder mit dem alten Mist Sonst ist alles Mist, sonst ist alles Mist“ Dann zu Johannis beim Feuertanzfest Keiner weiß heut‘ mehr wie sind sie dann Plötzlich da aus Geäst Springen sie in den Tanzkreis zu schnell Beissen Bräute ins Gras, und zu blass Scheint der Mond aber hell Hell brennt das Feuer aus trockenem Moos Brennt nun der Wald bis hinunter zum Fluss „Kinder, spielt, vom Rauch dort wissen wir nichts Und riechen auch nichts und riechen auch nichts“ „Jetzt kommen die Zeiten, da heißt es, heraus Mit dem Gold aus dem Mund seid klug und Wühlt euch Gräben ums Haus Gebt eure Töchter dem rohesten Knecht Jenem, der noch zur Not nicht nur Brot Mit den Zähnen aufbricht“ So sang der verschmuddelte Bauchladenmann Und pries Amulette aus Wolfszähnen an „Wickelt Stroh und Stacheldraht um den Hals Und haltet den Hals und haltet den Hals“ Was ist dann doch in den Häusern passiert? Bisse in Balken und Bett welches Fett Hat den Rauchfang verschmiert? Wer gab den Wölfen die Kreide, das Mehl Stäubte die Pfoten weiß? Welcher Greis Glich das Ziegengebell? Und hat sich ein siebentes Geißlein versteckt? Wurden Wackersteine im Brunnen entdeckt? Viele Fragen, die nur einer hören will Der stören will, der stören will. … August der Schäfer hat Wölfe gehört Wölfe mitten im Mai, … Doch wer hört schon auf einen alten Hut Und ist auf der Hut? Und ist auf der Hut?
Veröffentlichung
Die Umsetzung
Chor- und Instrumentalfassung (Weiterkomposition): Reinhard Fehling
Aufnahmetechnik und Videoherstellung: Dirk Baxmann
Künstlerische Mitarbeit: Gudrun Kattke
Es singt der Chor ‚Die letzten Heuler‘
Es spielt: ‚Die wilde 7‘ mit Freya Deiting (vl), Sandra Horn (tr), Karin Hatzel (sax), Thorsten Lange-Rettich (trb), Maik Hester (acc), Eric Richards (bass).
Tonmischung: Ralf Kiwit, subtone studios, Dortmund
@ 2024